Leistungsverzeichnis VOB/A - Projektmanagement, Nachtragsmanagement

Uwe Besecke
Dipl. Bauingenieur + Wirtschaftsjurist LL.M
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Berater * Coach
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Leistungsverzeichnis VOB/A

Vergabeverfahren

Gebot der produktneutralen Ausschreibung bei der öffentlichen Verwaltung
(Auszug aus Fachvortrag "Grundsätze zur Wertung von Vergabeverfahren"

Bei Prüfungen der öffentlichen Verwaltungen stellt man häufig fest, dass produktneutrale Leistungsverzeichnisse/Ausschreibungen, welche im Wesentlichen durch freiberuflich tätige Architekten/Ingenieure erstellt werden, in den wenigsten Fällen vergabekonform sind. Selbst einfache bautechnische Sachverhalte für den Ausbau oder haustechnische Anlagen werden gezielt produktspezifisch markenbezogen ausgeschrieben.
Für den Architekt/Ingenieur ist es natürlich einfacher, aus den diversen herstellerbezogenen Ausschreibungsangeboten im Internet diese Ausschreibungstexte zu kopieren und so sein Gewerke bezogenes Leistungsverzeichnis aufzubauen. Allerdings sind Kopierleistungen nicht der Sinn der Leistungsphase 6 nach HOAI.
Kein Einzelfall sind Vorbemerkungen von Leistungsverzeichnissen über 70 Seiten oder eine markenbezogene Position von 17 Seiten, wo selbst die Werbeeinblendungen der Hersteller mit kopiert werden. Oftmals haben die Vorbemerkungen nichts mit dem ausgeschriebenen Gewerk was zu tun oder es werden veraltete Vorschriften erwähnt.
Stellt sich die Frage, warum die öffentliche Verwaltung solche Sachstände akzeptiert und warum die Architekten/Ingenieure die Vorgaben der VOB/A nicht einhalten?

„Ganz abgesehen davon sind sorgfältige Planung und Disziplin bei der Abwicklung keineswegs sonderlich verbreitet, zumal sie für Planer und Überwacher aufwendig sind, wobei der Aufwand für Sorgfalt sich als nicht vergüteter Kostenfaktor darstellt, während die Folgen unsorgfältiger Planung zur Entgelterhöhung durch Erhöhung der anrechenbaren Kosten führen.“ (Quack/Thode in Hamburger Baurechtstage 2008).

Unsere eigenen Prüfungsstudien in den öffentlichen Verwaltungen können diese Aussagen vollumfänglich bestätigen.

Das Gebot der produktneutralen Ausschreibung richtet sich nach § 7 Abs. 8 VOB/A.

Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden.

Ausnahme des § 7 Abs. 8 VOB/A:

Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; solche Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.

Aber warum ist es so entscheidend, Leistungen produktneutral auszuschreiben?

Hier soll auf die s.g. "Kick-Back Vereinbarungen" von so manchen Architekten/Ingenieure verwiesen werden.

Beispiele aus der Prüfungspraxis:
- Leistungsverzeichnisse von Architekten/Ingenieure
- Kopieren von ganzen Produktbeschreibungen einschl. Werbeblöcke von Herstellerseiten
- In Positionen werden Richtfabrikate von bestimmten Herstellern einschl.  der Katalog – und Handelsnummern genannt einschl. dem Zusatz „oder gleichwertig“
- wie oben beschrieben, jedoch ohne den Zusatz „oder gleichwertig“
- wie oben beschrieben, jedoch zusätzlich mit Adresse und Telefonnummer von Großhändlern bzw. Lieferanten
- produktspezifische hochwertige und preisintensive Materialien für einfache technische Zusammenhänge
- verdeckte Leistungsbeschreibung von bestimmten Produkten durch Nennung von bestimmten Merkmalen, sodass für einen Anbieter nur ein Produkt in Frage kommen kann

Mangelhaftigkeit der Leistungserfüllung Architekt/Ingenieur

Stellt sich die Frage, ob die Vertragsleistung des beauftragten Architekt/Ingenieur wegen diesen produktspezifischen Ausschreibungsleistungen als mangelhaft bezeichnet werden können und das Honorar nach den Grundsätzen des Leistungsstörungsrechts gekürzt werden kann. Mangelhaft ist dann eine Leistung, wenn die vertraglich vereinbarten Beschaffenheitsmerkmale nicht erfüllt werden oder was üblich ist oder der Auftraggeber erwarten kann. Bei öffentlich – rechtlichen Auftraggebern kann man eine Ausschreibung nach der VOB/A sicherlich regelmäßig erwarten.
Zu mindestens kann man feststellen, dass ein Architekt/Ingenieur, welcher für einen öffentlichen Auftraggeber Leistungen ausführen soll, weiß, dass die Regelungen der VOB/A einzuhalten sind. Damit sind die Merkmale der VOB/A mindestens konkludent als Beschaffenheitsmerkmale vertraglich vereinbart wurden. Hält der Architekt/Ingenieur die Regelungen der VOB/A nicht ein, so ist seine Vertragsleistung mangelhaft. Neben einer Honorarkürzung ist auch ein Schadensersatzanspruch möglich und durchsetzbar.

Klauseln in zusätzlichen Vertragsbedingungen

In Ausschreibungsunterlagen ist nachfolgende Klausel hinsichtlich produktspezifischer Leistungsverzeichnisse oft zu finden:

„Ist im Leistungsverzeichnis bei einer Teilleistung eine Bezeichnung für ein bestimmtes Fabrikat mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ verwendet worden und fehlt die für das Angebot geforderte Bieterangabe, gilt das im Leistungsverzeichnis genannte Fabrikat als vereinbart“

Die Klausel verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 308 Nr. 5 BGB (so OLG Dresden 14 U 1523/05, BGB VII ZR 2/06).
Diese Klausel in den Vertragsbedingungen ist keine Regel der VOB/B und bezieht sich auch nicht auf eine Regel der VOB/B. Die VOB/B regelt angemessen in seiner Gesamtheit die Rechtsverhältnisse der Vertragsparteien. Abweichungen halten einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff BGB nicht stand. Danach gilt § 308 Nr. 5 BGB nicht für Verträge, in die Teil B der VOB insgesamt einbezogen ist.

Die Klauseln in den Formularblättern des VHB Bund 2008, dass ein Bieter in jedem Fall geforderte Angaben zu Herstellern/Typen bei „oder gleichwertig“ machen muss, weil sonst der Ausschluss droht, kann nur so verstanden werden, dass eine zulässige produktspezifische Ausschreibung vorliegt und die Angaben zwingend zur Wertung notwendig sind.
Würde diese Klausel in den Formularblättern auch in anderen unzulässigen Fällen gelten, könnte dies rechtswidrig und somit unwirksam sein.

Baunachträge infolge produktspezifischer Leistungsverzeichnisse

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine produktspezifische Position in einem Leistungsverzeichnis auch zu einem Baunachtrag im Sinne einer Anordnung nach § 2 Abs. 5 S. 1 VOB/B führen.
Ist in der Leistungsbeschreibung eines öffentlichen Auftraggebers ein Fabrikat mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ vorgegeben, ohne dass die Nennung eines bestimmten Fabrikats abgefragt wird, ist der Auftragnehmer bis zur Ausführung frei, ein mit dem Leitfabrikat gleichwertiges Produkt auszuwählen.
Ordnet der Auftraggeber gleichwohl die Verwendung des Leitfabrikats an, hat der Auftragnehmer Anspruch auf Vergütung der Mehrkosten gegenüber dem von ihm vorgesehenen gleichwertigen Fabrikats (Leitsatz des OLG Dresden).

Wertung von produktspezifischen Leistungsverzeichnissen durch die Vergabestelle

Werden in den Ausschreibungsunterlagen Erklärungen gefordert, dann sind diese Erklärungen als Umstände ausgewiesen, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen, so dass die Nichtabgabe dieser Erklärungen mit dem Angebot zwingend zum Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A führt (vgl. BGH X ZR 19/02 v. 7.6.2005).
Gleiches gilt, wenn ein Bieter in seinem Angebot in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Erklärungen nicht nur zum Hersteller oder zum Fabrikat eines zu liefernden Bauteils, sondern auch zum Typ eines anzubietenden Produkts nicht abgibt, so die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 zu einem Sachverhalt aus dem Jahr 1996.

Auf ein Angebot, welches den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht in allen Punkten entspricht, darf der Zuschlag nicht erteilt werden, denn es fehlt an den für einen Vertragsschluss erforderlichen sich deckenden und sich entsprechenden Willenserklärungen. Sofern eine nicht leistungsverzeichniskonforme Konkretisierung als Änderung der Vergabeunterlagen behandelt wird, ergibt sich der zwingende Ausschlussgrund. Der Ausschlussgrund der Abweichung von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses beruht deshalb, da einem Bieter, der eine nicht dem Leistungsverzeichnis entsprechende Leistung anbietet, es an der notwendige Zuverlässigkeit und damit Eignung für den Auftrag fehlt (OLG München  Verg 10/07).
Zwar handelt es sich lediglich um einen fakultativen Ausschlussgrund, weil der Vergabestelle bei der Prüfung der Eignung der Bieter ein Ermessensspielraum zuzubilligen ist, da aber einem nicht geeigneten Bieter ein öffentlicher Auftrag nicht erteilt werden darf, ist das Ermessen der Vergabestelle auf Null reduziert (OLG München  Verg 13/13, vgl. OLG München Verg 1/14).

Sollten ernsthafte Zweifel aufkommen, hat der Auftragnehmer diese durch eine Anfrage bei der Auftraggeberin zu klären. Um die Abgabe vergleichbarer Angebote sicherzustellen und damit einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, ist es nämlich zwingend erforderlich, dass sämtliche Bieter eines Vergabeverfahrens die ausgeschriebenen Leistungsmerkmale in gleicher Weise verstehen und demzufolge vergleichbare Angebote abgeben können. Dieser das Vergabeverfahren tragende Grundsatz würde ausgehebelt werden, wollte man jedem Bieter bei Zweifeln am Wortlaut der Ausschreibungsunterlagen zugestehen, diese nach eigenem Gutdünken auszulegen und sein Angebot darauf abzustellen (vgl. OLG Brandenburg W Verg 3/08).
Die Ausschreibung eines bestimmten Produktes verstößt gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung, wenn damit eine einheitliche Produktlinie nur deshalb gewährleistet werden soll, um Wartungsarbeiten und die Ersatzteilbevorratung zu vereinfachen (vgl. 2.VK Hessen 69d VK 60/2006).
Gegen die Verpflichtung einer produktneutralen Ausschreibung wird auch dann verstoßen, wenn durch die Vorgaben verdeckt ein Leitfabrikat ausgeschrieben wird, weil nur ein bestimmtes Produkt allen Vorgaben gerecht wird (vgl. OLG München Verg 15/09).

produktneutrale Ausschreibung ohne Zusatz „oder gleichwertig“

Das Vorgehen einer Vergabestelle, die Leistung in der Form auszuschreiben, dass keine Typen- und Fabrikate abgefragt werden und die konkrete Produktabfrage auf die Aufklärung verlagert wird, ist nicht zu beanstanden (OLG München  Verg 13/13, Verg 10/07, Verg 17/10 und  Verg 11/13).

Die Vergabestelle darf im Rahmen der Aufklärung zur Konkretisierung des Angebots, die entsprechenden Produktdatenblätter anfordern.
Zwar darf der öffentliche Auftraggeber nach der Öffnung der Angebote nur über bestimmte Gegenstände Aufklärung verlangen, welche abschließend aufgezählt sind. Dies liegt daran, dass eine Nachforderung von Produktdatenblättern lediglich der weiteren Information und Aufklärung dient, nicht aber der Abänderung eines einmal eingereichten Angebotes. Doch gerade dann, wenn der Auftraggeber die Ausschreibung produktneutral und ohne Abfrage von Fabrikaten gestaltet hat, besteht für ihn ein ureigenes Interesse an der Information über das angebotene Produkt, um sich mit dem konkreten Inhalt der abgegebenen Angebote vertraut zu machen und eine Vergleichbarkeit der Angebote herzustellen und um überprüfen zu können, ob das vom jeweiligen Bieter seinem Angebot zugrunde gelegte Produkt dem Leistungsverzeichnis entspricht. (OLG München vom 25.11.2013 - Verg 13/13; vom 15.11.2007 - Verg 10/07). Durch die Konkretisierung des Angebotes wird auch vermieden, dass die Frage, ob die erbrachte Leistung leistungsverzeichniskonform ist, in das Stadium der Vertragserfüllung verlagert wird.

Sofern der öffentliche Auftraggeber die Fabrikate und Typen der angebotene Produkte abfragt und der Bieter die entsprechenden Produktblätter vorlegt, legt er sein Angebot auf diese Fabrikate und Produkte fest. Grundsätzlich handelt es sich bei der Konkretisierung nicht um eine unverbindliche Darstellung, wie der Bieter die Leistung beispielsweise erbringen will, sondern um eine verbindliche Festlegung seines insoweit noch nicht konkretisierten Angebotes. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Aufklärung, die der Ermittlung des Angebotsinhalts und nicht einer beispielhaften Darstellung der Leistungserbringung dient. Jegliche Aufklärung wäre sinnlos, wenn der Bieter nachträglich erklären könnte, er wolle das von ihm benannte Produkt gar nicht liefern, sondern ein anderes Produkt mittlerer Art und Güte. Bei einer hersteller- und produktneutralen Ausschreibung wird zwar grundsätzlich die Lieferung eines Gerätes mittlerer Art und Güte gemäß § 243 BGB geschuldet wird (OLG Düsseldorf vom 25.4.2012 - Verg 61/11), doch trifft dies nicht mehr zu, wenn der Bieter im Rahmen der Aufklärung den Leistungsgegenstand konkretisiert hat (OLG München Verg 13/13, OLG München Verg 1/14, OLG München Verg 17/10).

produktneutrale Ausschreibung mit Leitproduktabfrage

Anders ist zu werten, wenn am Ende der im Leistungsverzeichnis beschriebenen Produkte Fabrikats- und Gerätetypen einschließlich Artikelnummer abgefragt werden. Dies entspricht üblicher Praxis. Diese Angaben dienen dazu, dem öffentlichen Auftraggeber Klarheit darüber zu verschaffen, welches Produkt der Bieter ausgewählt hat und für den Auftrag anbietet. Anders wäre der öffentliche Auftraggeber auch gar nicht in der Lage, zu überprüfen, ob das Angebot seinen Anforderungen entspricht. Ein Wahlrecht nach § 262 BGB, wonach ein Schuldner nach Wahl die eine oder andere Leistung schuldet, ist dem Bieter mit diesem Procedere nicht eingeräumt. Der Bieter hat vielmehr ein eindeutiges Angebot zu der ausgeschriebenen Leistung abzugeben, welches der Auftraggeber grundsätzlich mit einem einfachen „Ja“ annehmen kann (vgl. hierzu BayObLG  Verg 27/02).

produktspezifische Ausschreibung  mit  Zusatz „oder gleichwertig“

Produktspezifische Ausschreibungen stellen einen Rechtsverstoß gegen § 7 Abs. 8 VOB/A 2012 dar.
Ein Ausschluss des Bieters wegen versäumter Typenangabe in einer produktspezifischen Ausschreibung kann auch unzulässig sein.
Nach § 7 VOB/A 2012 darf in technischen Spezifikationen, d.h. in der Leistungsbeschreibung, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, nur auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder dergleichen verwiesen werden, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist.
Die Aufnahme des Zusatzes "oder gleichwertig" führt aus dem Verbot der produktspezifischen Ausschreibung nicht hinaus. Ein solcher Zusatz ist in Verbindung mit dem Verweis auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft nur zugelassen, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann.
Hat ein Bieter eine im Rahmen einer unstatthaften produktspezifischen Ausschreibung geforderte Typenangabe versäumt, darf ihr Angebot wegen dieses Mangels nicht von der Wertung ausgeschlossen werden. Durch einen Ausschluss würde sie in ihren Bieterrechten verletzt. Denn der Ausschluss beruhte auf dem der Antragsgegnerin zuzurechnenden Verstoß gegen das Gebot zu produktneutraler Ausschreibung. Wer so ausschreibt, erwirbt keine rechtliche Handhabe, Angebote, die im Zuge einer solchen Ausschreibung nicht alle verlangten Angaben oder Erklärungen enthalten, von der Wertung auszunehmen (vgl. OLG Düsseldorf VII Verg 9/09).

Akzeptiert der Bieter aber eine produktspezifische Ausschreibung und bietet objektiv ein anderes Produkt an als das ausgeschrieben Produkt, so ist er wegen unzulässiger Änderungen der Vergabeunterlagen auszuschließen. Der Bieter hat mit dem abweichenden Produkt den Inhalt der ausgeschriebenen Leistung und somit die Vergabeunterlagen geändert (vgl. OLG Frankfurt v. 11.06.2013).

produktspezifische Ausschreibung – Möglichkeit eines zweiten Hauptangebotes

Wenn bei einer Ausschreibung es sich objektiv um eine produktspezifische Ausschreibung handelt, dann wurde in der Leistungsbeschreibung ein Leitfabrikat angegeben und eine Ausnahme von dem Gebot einer produktneutralen Ausschreibung liegt nicht vor.
Gibt ein Bieter in einem solchen Fall ein Angebot mit anderen Produkten ab, wird ein solches Angebot nicht als Nebenangebot, sondern als zweites Hauptangebot angesehen (OLG Düsseldorf  Verg 34/12 und Verg 9/09). Dies gilt auch für den Fall, dass die Vergabestelle nicht produktspezifisch ausschreiben, sondern lediglich als Beispiel ein Planungsfabrikat angeben und gleichwertige Produkte zulassen will (OLG Düsseldorf Verg 34/12).
Bezeichnet ein Bieter in solcher Situation sein Angebot als Nebenangebot, so ist dies als zweites Hauptangebot zu werten. Dies liegt auch im Interesse des Auftraggebers, da er bei einer Konkurrenzsituation zwischen mehreren Produkten erfahrungsgemäß eine größere Anzahl vergleichbarer und preisgünstiger Angebote erhalten wird (vergl. OLG München Verg 25/12).
Es handelt sich dann um zwei Hauptangebote, wenn der Anbieter einerseits die von der Vergabestelle im Leistungsverzeichnis genannten Planungsfabrikate sowie in weiteren Angeboten zugelassene Fabrikate „gleichwertiger Bauart“ offeriert hat (vgl. OLG Düsseldorf  VII Verg 34/12)
Abweichungen von einem produktspezifischen Leistungsverzeichnis führen aber nur dann zum Ausschluss des Angebots, wenn das angebotene Produkt aus anderen Gründen nicht dem Leistungsverzeichnis entspricht (OLG München Verg 15/09)

Fazit:

Es ist Sache der Vergabestelle im Rahmen ihrer Plausibilitätsprüfung der Verdingungsunterlagen im Vorfeld zu prüfen, ob eine produktspezifische Ausschreibung vorliegt. Wenn die Vergabestelle diese Prüfung versäumt und ein Verstoß zulässt, so kann die Vergabestelle den Bieter nicht in seinen Rechten verletzen, dass die Vergabestelle den Bieter einfach ausschließt.
Die Architekten/Ingenieure als Entwurfsverfasser der Leistungsverzeichnisse haben als Beschaffenheitsmerkmal ihrer Vertragsleistung die Regelungen der VOB/A umzusetzen. Nicht nur, um ihre Leistung in der Leistungsphase 6 der HOAI sachmangelfrei zu erbringen sondern auch, um einen Beitrag zur Korruptionsprävention zu liefern. Unter diesem Gesichtspunkt setzen sie sich nicht den Verdacht aus, bei einer markenbezogenen produktspezifischen Ausschreibung gemeinsam mit einem Hersteller zusammen zu arbeiten.  



Anmerkung:
(Die Ausführungen sind die persönlichen Auffassungen des Verfassers und stellen keine bautechnische oder rechtliche Beratung dar)

Büroadresse

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