Das unvollständige Leistungsverzeichnis

Uwe Besecke
Dipl. Bauingenieur + Wirtschaftsjurist LL.M
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Berater * Coach
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Das unvollständige Leistungsverzeichnis

Projektmanagement, Nachtragsmanagement
Veröffentlicht von Besecke in Baunachtrag · Montag 25 Nov 2019
Tags: WerkerfolgunvollständigesLeistungsverzeichnisLeistungsbeschreibung
Der objektive Empfängerhorizont bei einem unklaren Leistungsverzeichnis vs. der Tunnelblick der Architekten/Ingenieure
 (Auszug aus Inhouse-Schulung: „Unvollständiges Leistungsverzeichnis = Baunachtrag?)
 
Bei der Nachtragsprüfung hören wir in regelmäßigen Abständen und in monoton wiederholender Begründungen von Nachträgen, dass die Nachtragsleistungen nicht im Leistungsverzeichnis standen und dadurch gerechtfertigt sind. Diese Ansichten sind so fest bei den handelnden Architekten/Ingenieure eingebrannt, dass wir bei unserer objektiven und unbefangenen Nachtragspüfung oft mit ungläubigen Augen betrachtet werden, wenn wir die Fragestellung bringen:

Ist diese Ansicht und der Gedanke wahr?

Dieser Blickwinkel vieler Architekten/Ingenieure ausschließlich auf das Leistungsverzeichnis bezeichnen wir als den s.g. „Tunnelblick“.

 
 
 
Kann man glauben – muss man aber nicht

Wie prüft man also einen Baunachtrag? (Workshop "Fragestellungen bei der Nachtragsbewertung")
Was ist wie auszulegen und was bedeutet ein objektiver Empfängerhorizont?
Was bedeutet ein unklares Leistungsverzeichnis und was bedeutet die Frage nach dem Erkennen können oder müssen?

Ein Beispiel aus der Baupraxis.
 
Ein Bauunternehmer soll eine Brücke bauen. Neben den Ausschreibungsunterlagen (Leistungsverzeichnis) waren auch Zeichnungen beigefügt, wo im Bereich der Widerlager hangseitig Bereiche schraffiert sind, welche mit Magerbeton zur Erhöhung der Standsicherheit zu verfüllen sind. Diese Magerbetonauffüllung ist für die Standsicherheit notwendig.
Die Magerbetonauffüllung wurde im Leistungsverzeichnis nicht erwähnt.
Der Auftraggeber fordert den Auftragnehmer auf, diese Magerbetonauffüllung auszuführen. Der Auftragnehmer sieht darin eine Anordnung und macht einen Nachtrag geltend.
 
Zu Recht?
 
Diese Fragestellungen hat die höchstricherliche Rechtsprechung und die Rechtsliteratur längst beantwortet.
Bei der Auslegung des Vertrages nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen – Wortlaut, Vertragsinhalt und Begleitumstände – kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht darauf an, wie der Auftraggeber seine Ausschreibung verstanden hat, und auch nicht darauf, wie der einzelne Bieter und spätere Auftragnehmer die Ausschreibung verstanden hat. Maßgeblich ist vielmehr der sog. objektive Empfängerhorizont, d.h. das objektivierte Verständnis und die Sicht aller potenziellen Bieter.
 
Gemeint ist der mit der Ausschreibung insgesamt angesprochene Empfängerkreis, und zwar so, wie jeder der gedachten Empfänger unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls die Ausschreibung verstehen konnte und im Zweifel auch verstehen musste.

Dabei kommt es als maßgebenden Zeitpunkt für die Auslegung auf die Sicht zur Zeit der Ausschreibung an und nicht auf Erkenntnisse, die erst im Zuge der späteren Bauerrichtung gewonnen werden.

Was im Einzelnen die Grundlagen für die Erkennbarkeit der geschuldeten Leistung sind, kommt es darauf an, was dem Bieter bei Anwendung der ihm nach verständiger Würdigung aller Umstände im Zeitpunkt der Ausschreibung zumutbaren Sorgfalt und einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung den Inhalt und Umfang der Leistung hätte erkennen können und vor allem hätte erkennen müssen.
 
Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an.
 
Dabei ist das gesamte Vertragswerk zugrunde zu legen, es kommt also nicht nur auf den Inhalt eines Leistungsverzeichnisses an, sondern auch auf Pläne, Zeichnungen oder sonstige Umstände, auf die die Parteien bei der Bestimmung der auszuführenden Leistungen Bezug genommen haben.

Auch wenn die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses unmittelbar die Grundlage des vom Unternehmer angebotenen Preises darstellen – bei einem Einheitspreisvertrag in der Form, dass sie einzeln mit Preisen versehen werden – kann eine Leistung, die nicht explizit im Leistungsverzeichnis erwähnt wird, dafür aber in einem Plan eingetragen ist, als von der vereinbarten Vergütung erfasst gelten. (so z.B. OLG Frankfurt)
 
Fazit:
 
Das Wort „Leistungsbeschreibung“ ist im Rechtssinn und bei der Auslegung eines Werkvertrages nicht identisch mit dem Wort „Leistungsverzeichnis“.
 
Eine Leistungsbeschreibung der vertraglich vereinbarten Leistung setzt sich aus einem Leistungsverzeichnis + Zeichnungen + Absprachen + Hinweisen + sonstige Umstände zusammen.

Was geschuldete Leistung ist, kommt auf das Erkennen zum Zeitpunkt der Ausschreibung an. Die Erkennbarkeit liegt nicht subjektiv bei einen Kalkulator, Bauleiter oder Geschäftsführers des Auftragnehmers und auch nicht an unmittelbar befangene Sachbearbeiter auf Auftragsgeberseite, sondern hat objektiv und unbefangen durch Auslegung des Vertrages zu erfolgen.
 
Ein Leistungsverzeichnis beschreibt die von einem Unternehmer auszuführenden Leistungen häufig nur grob in Stichworten und muss deshalb in vielen Fällen näher ausgelegt werden. Entscheidend ist, dass sie in Zusammenhang mit Bauleistungen steht, die für die Funktionalität, die Kosten und den wirtschaftlich erfolgreichen Abschluss eines Bauvorhabens von zentraler Bedeutung sind und dass sie auf dem maßgeblichen Plan unschwer als Bestandteil der beauftragte Leistung zu erkennen war.

Die Lösung des o.g. Beispiels
 
Wie würden Sie das Beispiel "dem Grunde nach" lösen und wie würden Sie Ihr Ergebnis rechtlich, entsprechend einer Anspruchsgrundlage, begründen?

Das Lösungsbeispiel wurde mit Urteil und sehr guter Urteilsbegründung entschieden.
In unserer Inhouse-Schulung zeigen wir u.a. dieser Fall detailliert auf einschl. dem Lösungsweg.
Wir zeigen auch auf, aus welchem Grund eine Nachtragsprüfung nur durch unbeteiligte unbefangene Mitarbeiter erfolgen kann und geben Ihnen eine Musterdienstanweisung mit an die Hand.

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Wir freuen uns, auch Ihre Mitarbeiter schulen zu können.




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