Bedeutung Null- und Scheinpositionen

Uwe Besecke
Dipl. Bauingenieur + Wirtschaftsjurist LL.M
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Berater * Coach
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Bedeutung Null- und Scheinpositionen

Projektmanagement, Nachtragsmanagement
Veröffentlicht von Besecke in Baunachtrag · Mittwoch 24 Mai 2023
Tags: NullpositionenLeistungsverzeichnis
Null - und Scheinpositionen in Leistungsverzeichnissen
(Auszug aus unserer Studie und Fachvortrag Nullpositionen)

Nullpositionen in Leistungsverzeichnissen, also ersatzlos entfallene Leistungspositionen (Nullpositionen) ohne das dies auf einer Kündigung, einen Verzicht oder eine Anordnung des Auftraggebers beruht, ist in der Praxis bei der Bauausführung beim VOB-Einheitspreisvertrag normaler Alltag. Diese Nullpositionen sind nicht zu verwechseln mit geänderte Leistungspositionen in Leistungsverzeichnissen, wo in der Rechnung des Auftragnehmers unter Nachtrag steht wie „Zulage zu ….“ oder „Erschwernis zu …..“ und die ursprüngliche Position des Leistungsverzeichnisses nicht mehr aufgeführt wird. Diese Art der Rechnungslegung entspricht allerdings nicht BGH-Rechtsprechung und ist zu beanstanden.
 
Eine Sonderform von s.g. Nullpositionen in Leistungsverzeichnisses, welche den öffentlichen Vergabeverfahren zu Grunde liegen, ist die Anzahl von Scheinpositionen und die fehlerhafte Mengenermittlung durch die ausschreibenden externen Architekten/Ingenieure oder den Sachbearbeitern der Verwaltung. Denn grundsätzlich schuldet der externe auschreibende Architekt/Ingenieur ein zutreffendes, auf Basis der Ausführungs- und Detailplanung, Leistungsverzeichnis, was Grundlage des Angebotes und der Auftragserteilung ist. Dies betrifft auch eine korrekte Mengenermittlung im Einheitspreisvertrag. Trifft dies nicht zu, ist die Leistung in engen Toleranzen mangelhaft und zu beanstanden.
Man darf nicht vergessen, dass mit diesen Nullpositionen der Wettbewerb in einem öffentlichen Vergabeverfahren verzerrt wird und im Endeffekt eine Leistung beauftragt wird, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Sie stellen auch unzulässige Preisabfragen dar, welche im Vergaberecht untersagt sind. Gerade im Zuwendungsrecht kann dies zu Problemen führen.
Die Ursachen und Gründe für solche Erscheinungen der Nullpositionen sind vielfältig. Diese haben wir in unserer Studie als Prüfer näher untersucht und Antworten gefunden. Mehr dazu in unserem Fachbericht. In dem Fachbericht gehen wir auch darauf ein, wie sich ein Auftragnehmer verhalten soll und machen kann, wenn ein solcher Fall von Nullpositionen auftritt.
 
Scheinpositionen sind Positionen, von denen nur der unzulässig informierte Bieter weiß, dass die hinter der Position stehende Leistung später nicht oder nur in geringerer Qualität oder nur in geringerer Menge als ausgeschrieben abgerufen werden wird. Der Bieter kann insoweit gezielt niedriger als Wettbewerber anbieten und einen im Vergleich zu diesen günstigeren Gesamtpreis anbieten. (siehe auch VV "Korruptionsprävension in der öffentlichen Veraltung RLP oder Arbeitsblatt 17 der VOB-Stelle RLP)

Ein Beispiel aus dem Straßenbau im Rahmen unserer unabhängigen Prüfungstätigkeit zeigt die Problemstellung auf. Der Belag einer Landstraße soll grundlegend instandgesetzt werden. Im Leistungsverzeichnis zum Vergabeverfahren taucht eine Position auf, wo die Straßenrinne durch Verfugung überholt werden soll. Einer Firma war durch jahrelange Instandsetzung dieser Straße bekannt, dass die Straßenrinne so kaputt war, dass eine Sanierung nicht möglich war, sondern nur ein Neubau. Diese Position wurde mit 1 € angeboten. Die weiteren Bieter hatten einen durchschnittlichen Preis von 35 €. Dadurch gewann diese Firma das Vergabeverfahren, die Position entfiel und es wurde ein hoher Nachtrag für den Neubau gestellt.



Natürlich muss man erst das öffentliche Vergabeverfahren gewinnen um dann eine „Gewinnoptimierung“ starten zu können. Tendenziell sind Nachtragsaufträge deshalb trotz der restriktiven Bestimmungen der VOB/B relativ teuer. Gelegentlich hört man von einer Tendenz, Gewinnerwartungen gezielt auf die Nachträge zu verlagern (i.d.S. Thode/Quack)
 
Ganz nebenbei ergab eine Nachtragsprüfung durch das externe planende und ausschreibende Planungsbüro, dass die Nachtragspreise „ortsüblich“ und „angemessen“ sind.
Grundsätzlich reden die Verantwortlichen zur eigenen Rechtfertigung bei Nullpositionen von Kostenersparnis, s.g. Sowieso-Kosten und fehlendem Schaden, was ein sehr eingeschränkter Blickwinkel ist.
 
Andere bewerten diese Nullpositionen als unzulässigen Preisabfragen und wiederum andere richtigerweise von der Verfälschung öffentlicher Vergabeverfahren.
 
Unser Referent als ehemaliger langjähriger Prüfer einer öffentlichen Verwaltung ist diesen Fragestellungen auf Grundlage von 1.500 geprüften Schlussrechnungen bei öffentlichen Bauvorhaben im Schul – und Kindergartenbau in seiner Studie nachgegangen.
 
Wie sieht die Realität aus? Ein Beispiel aus der Studie



Entsteht wirklich kein Schaden für die öffentliche Verwaltung?
 
Entfallen mehrerer Positionen des Leistungsverzeichnisses vollständig, ohne dass dies auf einer Kündigung, einen Verzicht oder eine Anordnung des Auftraggebers beruht, spricht der Fachkreis von s.g. Nullpositionen.
 
1)    Vertrauensverlust bei den öffentlich-rechtlichen Vergabeverfahren
Die an der Vergabe öffentlicher Aufträge interessierten Bieter dürfen grundsätzlich darauf vertrauen, dass der öffentliche Auftraggeber das Verfahren über die Vergabe seiner Aufträge ordnungsgemäß und unter Beachtung der für ihn geltenden Bedingungen einleitet und durchführt.
 
Das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot soll den am Wirtschaftsleben teilnehmenden Unternehmen faire und transparente Wettbewerbsbedingungen schaffen, die für die Herstellung der Chancengleichheit der Bieter und eines funktionierenden Wettbewerbs unerlässlich sind.
 
Bei Leistungsverzeichnisses mit einer derart hohen Anzahl von Nullpositionen/Preisabfragen, welche auch von fachkundigen Kalkulatoren erkannt werden, kann es zum erheblichen Vertrauensverlust kommen. Entweder geben die Baufirmen bei soll unklaren Leistungsverzeichnissen, was auch auf eine unzureichende Planungsleistung schließen lässt, erst kein Angebot ab oder sie versuchen zu spekulieren.
Fehlen ausreichende Angebote, kann nicht mehr von Wettbewerb und Marktwirtschaft gesprochen werden.
Andererseits muss man auch den personellen und zeitlichen Aufwand der Firmen betrachten, welche für die Positionen Materialangebote bei ihren Großhändlern einholen und Arbeitszeit für die Kalkulation einsetzen um dann festzustellen, dass diese Nullpositionen reine Preisabfragen des öffentlichen Auftraggebers waren.
 
2)    Fehlerhafte Auftragshöhen
Sie führen zu Irritationen in den Bauausschüssen der öffentlichen Verwaltungen und in der Haushaltsplanung. Gleichzeitig ist auch zu bedenken, dass die Mitarbeiter der Vergabestellen bei der Eignungs- und Wirtschaftlichkeitsprüfung Positionen bewerten, welche in der Realität nicht vorhanden sind. Dadurch wird Personal und Zeit gebunden, welche an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden kann.
Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass ohne diese Nullpositionen vielleicht ein anderer Bieter den Auftrag erhalten hätte.
 
3)    Entschädigung der Auftragnehmer für ersatzlos entfallene Nullpositionen
In ergänzender Auslegung eines VOB/B-Einheitspreisvertrages kann der Auftragnehmer eine Vergütung für ersatzlos entfallene Leistungspositionen (Nullpositionen) nach Maßgabe des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B verlangen, wenn ein Fall der vom Regelungsgehalt dieser Vertragsklausel erfassten Äquivalenzstörung vorliegt. Eine Anpassung des Einheitspreises findet jedoch nicht statt, soweit der Auftragnehmer durch Mengenmehrungen bei anderen Leistungspositionen oder in anderer Weise, etwa gemäß § 2 Nr. 5 oder § 2 Nr. 6 VOB/B, einen Ausgleich erhält.
Den betroffenen Baufirmen kann man nur empfehlen, entsprechend der Rechtsprechung des BGH die Entschädigung konsequent geltend zu machen.
 
4)    Schaden für die Verwaltung wegen überhöhter Honorarzahlungen
Der externe Architekt/Bauingenieur schuldet als Werkerfolg ein zutreffendes richtiges Leistungsverzeichnis. Ist dies z.B. durch Nullpositionen nicht der Fall, dann greift das Leistungsstörungsrecht, die Ausschreibungsleistung ist mangelhaft und das Honorar entsprechend zu kürzen.
 
Der Prüfer hat auch festgestellt, dass aufgeblähte Leistungsverzeichnisse ganz bewusst erstellt werden um eine überhöhte Kostenberechnung zu rechtfertigen (Kostenberechnung in LpH 3 ist Honorarbasis und soll durch die Auftragshöhe gerechtfertigt werden). Auch hier ist festzustellen, dass der Architekt/Bauingenieur eine zutreffende, in gewisse Toleranzen, Kostenermittlung schuldet. Ist dies nicht der Fall, greift auch hier das Leistungsstörungsrecht.
 
Gleichzeitig sind auch Zinsschäden aus der Finanzierung sowie Zuwendungen für den Besteller zu betrachten, wenn bei einer überhöhten Finanzierung wegen der nicht zutreffenden Kostenberechnung ein Zinsnachteil entstanden ist.

Beispiele aus dem Alltag unserer unabhängigen Prüfertätigkeit:





Schmunzeln muss man als Prüfer auf die Antwort der verantwortlichen Führungskräfte und politischen Verantwortlichen, wenn diese feststellen, dass man doch gespart hat und nichts passiert ist.
 
Wie sollte man vorgehen, wenn diese Sachverhalte bei der Rechnungsprüfung festgestellt werden?

Natürlich muss man als Vergabestelle bei der Eröffnung des öffentlichen Vergabeverfahrens darauf vertrauen, dass das Leistungsverzeichnis zutreffend und ordnungsgemäß erstellt wurde. Allerdings können wir aus unserer Prüfererfahrung empfehlen, dass das Leistungsverzeichnis auf Plausibilität geprüft werden sollte. Wurden im Leistungsverzeichnis z.B. Betongüten/Bewehrungsmatten ausgeschrieben, welche gar nicht in der Statik auftauchen oder z.B. Kabel/Rohrdurchmesser aufgeführt, welche nicht in den Installationsplänen erscheinen usw., dann können dies Anzeichen sein, dass das Leistungsverzeichnis Nullpositionen enthält.
 
Werden später bei der Endabrechnung diese Nullpositionen festgestellt, sollte man nicht davon sprechen „wir haben gespart“, sondern prüfen, was die Ursachen sind und danach die weitere Vorgehensweise festlegen.
 
Hilfreich ist in jedem Fall der Aufbau eines unabhängigen Nachtragsmanagement z.B. beim Rechnungsprüfungsamt, beim Rechtsamt oder eines externen Nachtragsmanagers.
Die Prüfung im konkreten Einzelfall, warum diese Nullpositionen aufgetreten sind, sollte nach dem objektiven Empfängerhorizont nach §133/§157 BGB bewertet werden.

Wir unterstützen Sie bei der Bewertung z.B. durch unsere Online-Workshops
„Gliederung Nachtragsprüfung - vom Anspruch bis zur Vergütung“

oder in unserem
BLOG.
Gerne sind wir für Sie als unabhängige Prüfer oder Nachtragsmanager tätig.


(Anm.: Die Ausführungen sind die persönlichen Ansichten des Verfassers und stellt keine Einzelberatung in bautechnischen und rechtlichen Hinsicht dar)



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